„Life-Balance können wir uns nicht leisten.“

Ausgleich zwischen Job und Freizeit, wer will das nicht? Aber ist Work-Life-Balance nicht ein bloßer Wohlfühlfaktor, ein Luxus, den sich in einer Leistungsgesellschaft kaum jemand erlauben kann? Ist das nicht ein schönes PR-Anhängsel für Unternehmen in Boomzeiten, das in Zeiten der Krise schnell zur Kostenfalle wird? Kurzum: Können wir uns Zufriedenheit und Ausgleich am Arbeitsplatz überhaupt leisten?

Der Arbeitsunfall der Gegenwart

Die Antwort dürfte nicht allzu schwer fallen, wenn man sich die Zahlen anschaut: Ein knappes Drittel der Beschäftigten in Deutschland gibt in einer Studie im Auftrag des DGB an, dass es mit seiner Arbeit unzufrieden sei, nur ein Achtel der Arbeitnehmer ist zufrieden im Job. Einkommen und Arbeitsplatzsicherheit rangieren dabei als Kriterien interessanterweise an letzter Stelle. Doch es kommt noch schlimmer: Jeder vierte Arbeitnehmer scheidet vor Erreichen des Rentenalters aus dem Erwerbsleben aus. Davon fast jeder Dritte infolge psychischer Störungen. Stress ist der klassische Arbeitsunfall der Gegenwart.

Das ist nicht nur für die Betroffenen ein schwerer Schlag, sondern auch volkswirtschaftlich nicht mehr zu vernachlässigen. Die Kosten durch Stress belaufen sich auf ca. 5-10% des Bruttosozialproduktes. Allein die Ängste von Beschäftigten am Arbeitsplatz kosten die Unternehmen etwa 100 Milliarden EUR pro Jahr. Auch Folgeerkrankungen, wie z.B. Herzinfarkte, ließen sich durch weniger Stress am Arbeitsplatz vorbeugen. Schon vor Jahren rechneten Wissenschaftler in der Zeitschrift GEO vor, dass 10.000 Infarkte jährlich durch eine bessere Arbeitsorganisation vermeidbar wären.
Stressabbau und eine ausbalancierte Lebensführung sind also kein Luxus, sondern sogar Voraussetzung für eine hohe Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit. Das konnte in Untersuchungen inzwischen auch belegt werden. „Wenn Du es eilig hast. Gehe langsam“, empfiehlt der Zeitmanagement-Experte Lothar Seiwert. Aber damit ist es oft nicht getan. Effizientes Zeitmanagement ist noch kein Garant für weniger Stress, denn ein gut geführter Termin- und Aufgabenordner kann derart vollgestopft sein, dass dem Manager oder Sachbearbeiter kaum noch Zeit zum Atmen bleibt.

Gutes Zeitmanagement reicht nicht

„Wer Prioritäten richtig setzen will, muss sich erst einmal innerlich im Klaren sein, wohin die Reise gehen soll“ sagt Business-Coach Dr. Constantin Sander, der langjährige Erfahrung in der Projekt- und Marketingleitung hat. Wer auf die Frage „Warum?“ nur die Antwort „na, das ist doch mein Job“ parat hat, sollte dringend seine Ziele überdenken und sich dann die Frage noch einmal stellen. Aber auch und gerade zielorientierte Manager landen oft im Burn-Out. Speziell die engagierten, immer Erreichbaren und die isolierten Einzelkämpfer unter ihnen sind gefährdet, „Wer als Manager längerfristig leistungsfähig bleiben will, muss zum einen seine Ziele klar hierarchisieren und zum anderen einen körperlichen und Sinn-gebenden Ausgleich im Privatleben haben“ sagt Coach Sander.

Dabei ist Stressempfinden sehr subjektiv. Was den einen an seine Grenzen bringt, ist für den anderen gerade eine spannende Herausforderung. Der Grund für diese Unterschiede liegt in der individuellen Wahrnehmung und Bewertung des Erlebten. Meist sind tief sitzende, erlernte Denk- und Verhaltensmuster dafür verantwortlich, ob wir eine Belastung als angenehm oder unangenehm empfinden. Die Lektüre eines Selbstmanagement-Ratgebers allein schafft da kaum Abhilfe.

In jedem Fall sollten Manager, die extremer Stressbelastung unterliegen, sich professionelle Beratung einholen, bevor es zum Burn-Out oder anderen gesundheitlichen Komplikationen kommt. Das ist kein Eingeständnis von Schwäche, sondern im Gegenteil ein Zeichen von souveräner Selbstreflexion.

Auf die Couch?

Entspannungstechniken sind nachweislich hilfreich, um Stress abzubauen. Speziell ausgebildete Coaches bieten eine gute Unterstützung zum besseren Selbstmanagement. Beim Coaching geht es nicht, wie in einer Beratung oder den meisten Zeitmanagement-Seminaren, um die Vermittlung von Kenntnissen oder um gute Ratschläge, sondern um die Stärkung der eigenen Kompetenz, mit Stress besser umzugehen bzw. das Entstehen von Distress (negativer Stress) zu vermeiden.

Dabei hilft der Coach, Herausforderungen der Umwelt besser einzuschätzen und nicht als willkürliches Geschehen wahrzunehmen. Des Weiteren gewinnt der Coachee (so heißen die Klienten beim Coaching) ein Gefühl der besseren Handhabbarkeit von potentiell stressbehafteten Situationen und schließlich stärkt Coaching das Begreifen der Sinnhaftigkeit und Bedeutsamkeit der Anforderungen, so dass Lösungen sinnvoll erscheinen.

Das Besondere der im Coaching eingesetzten Verfahren gegenüber herkömmlicher Beratung liegt darin, dass sie nicht primär auf das rationale Verstehen abzielen, denn das allein ist meist kein ausreichender Impuls für eine Veränderung. Nicht bewusste, sondern unbewusste Prozesse dominieren unser Handeln unter Stress. Effektives Coaching arbeitet deshalb vorwiegend auf der Ebene des Erlebens und schafft veränderte Wahrnehmungsmöglichkeiten. Es ist zudem nicht defizit-, sondern lösungsorientiert. Dies erst öffnet das Tor für andere Denk- und Handlungsmuster.

Also keine Angst: Auf die Couch muss beim Coaching keiner. Im Gegenteil: Wie beim Sportcaoching muss der Coachee oft genug hinaus aus den vier Wänden in die Natur und sich bewegen. „Das ist für meine Klienten allein schon ein Hit“ sagt Dr. Sander. „Erst dann merken sie nämlich, wie sie durch Bewegung auch ihr Gehirn auf Betriebstemperatur bringen.“ Das ist aber kein Muss. Coaching-Sitzungen finden gewöhnlich im Büro des Coaches statt.

Fazit: Work-Life-Balance ist kein Wohlfühlfaktor sondern eine Voraussetzung für Leistungsfähigkeit. Stress lässt sich, bevor es zum Burn-Out kommt, sehr gut mit zielgerichtetem Coaching entgegenwirken.

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