Agilität: Vier Reifestufen einer resilient-agilen Organisation

Vier Reifestufen einer resilient-agilen Organisation.Agilität ist in aller Munde. Aber was braucht es, damit eine Organisation agil wird? Und wie kann sich sich dahin entwickeln? Die Organisations- und Personalentwickler Jens Quandte, Peter Mnich und Valentin Nowotny geben in einem Handbuch Antworten.

“Change the system, not the people” lautet ein Leitsatz aus der Organisationsentwicklung. Da nun aber Menschen Handelnde in einer Organisation sind, könnte man den Satz auch umkehren: „Change the people, then the system.“  Jens Quandte, Peter Mnich und Valentin Nowotny gelingt es in ihrem gemeinsamen Buch, beide Aspekte in zu integrieren.

Agilität ist keine Methode.

Sie beschreiben in einem reich visualisierten Buch die Reifestufen einer resilient-agilen Organisation. Dabei wird Agilität nicht als Methodenbaukasten verstanden, sondern als emergente Größe, als Zusammenspiel relevanter Faktoren wie Identität, Strategie, Funktionen und Kompetenzen in der Zusammenarbeitskultur und das Führungsverhalten im Sinne von Agilität. Agilität bedeutet dabei „die Bereitschaft und die Fähigkeit einer Organisation und der Menschen in der Organisation flexibel, anpassungsfähig, innovativ und proaktiv zu agieren, so dass bestmögliche Adaptivität für Lebensfähigkeit und Zukunftsfähigkeit gewährleistet ist.“ Menschen werden darin im systemischen Sinne als eigenständige Akteure „mit eigener Wahrnehmung und Wirklichkeitskonstruktion“ gesehen.

So liegt der Fokus des Buches folgerichtig auf beiden Systemen: Dem System Organisation und dem System Mensch. Und die Kernfrage lautet: Wie kann sich eine Organisation mit ihren Mitarbeitern zu einem agilen Unternehmen entwickeln? Dabei wird eine ausgeprägte Agilität nicht als unbedingtes, erstrebenswertes Ziel gesehen. Agilität ist in einem sehr diversen und dynamischen Umfeld von Vorteil, während sie in Firmen mit hoch-standardisierten Prozessen und geringer Marktdynamik sogar kontraproduktiv sein kann. Zwischen geringer und hoher Dynamik auf der einen Achse sowie Individualisierung und Standardisierung bildet sich der Gestaltungsraum zwischen Lean Management und agilem Management.

Agilität in vier Stufen

Die drei Autoren beschreiben den Transformationsprozess zu mehr Agilität als vierstufiges Modell. Grundlage bildet das agile Mindset, bei dem es wohlgemerkt nicht darum geht, die Mitarbeiter mental umzuprogrammieren oder gar auf die Therapeutenbank zu legen, sondern darum, mit den Mitarbeitern gemeinsam vorhandene Wertvorstellungen, Glaubenssätze und Fähigkeiten zu reflektieren und in Hinblick auf mehr Agilität die Frage zu klären: Was brauchen wir, um flexibler, anpassungsfähiger, innovativer und proaktiver, kurzum agiler zu werden?

In der zweiten Stufe liegt der Fokus auf dem Handeln, auf agilen Werkzeugen und Routinen. Hier stellen die Autoren einen ganze Reihe von Tools vor – jenseits der bekannten agilen Prozess-Werkzeuge Scrum, Kanban & Co. Es geht ja um die Entwicklung hin zu mehr Agilität und nicht um die Vorwegnahme eines Zielzustands.

Darauf folgt als dritte Reifestufe das agile Framework, also der Handlungsrahmen, in dem sich Agilität entwickeln kann. Was sind die Wesenselemente einer agilen Organisation, wie kann man eine agile Organisation aufbauen, wie koordiniere ich die Arbeit vieler Scrum-Teams oder wie kann ein Innovationsprozess gestaltet sein? Hier kommen z.B. das Spotify-Modell, Scrum@Scale, SPS mit Nexus und Design Thinking ins Spiel.

Und letztlich, auf der vierten Reifestufe steht die Frage im Vordergrund, wie eine resilient-agile Organisation fit für die die Zukunft gehalten wird. Die Autoren fragen: „Was müssen wir dauerhaft angehen, damit die Überlebensfähigkeit gesichert wird und der Umgang mit Risiken möglich bleibt? Wie erhält sich die Organisation eine beständige Flexibilität und Innovation, ohne Stabilität und Standardisierung ad acta zu legen?“  Zentrales Element ist hier das von den Autoren entwickelte NEOresilienz® Balance Board, deren zwei Achsen die Balance zwischen Stabilität und Flexibilität einerseits sowie internem und externem Fokus andererseits abbilden. Die vier Quadranten im Modell sind Beziehungsorientierung, Wissensanwendung, Innovationsvermögen und Handlungsorientierung.

Agilität dort, wo sie nützlich ist.

Das vorliegende Buch hebt sich wohltuend von der agilen Hype ab, indem es Agilität weder als Buzzword für mehr Flexibilität im Management entwertet oder Agilität als ein „Must have“ für moderne Organisationen überdehnt, sondern als Entwicklungsprozess für Unternehmen, die sich in einem sehr individualisierten und dynamischen Marktumfeld bewegen. Dabei vereint es Ansätze von Organisations- und Personalentwicklung und bietet somit für beide Professionen ausriechend Lesestoff.

Die knapp 300 Seiten sind reich gefüllt mit hilfreichen Modellen und Tools zu den einzelnen Reifestufen der Agilität, so dass man es gut als Handbuch nutzen kann. Aber es ist mehr als das. Durch den methodischen Wechsel zwischen Information, Story-Telling und dialogischem Stil ist das Buch auch leicht lesbar.  Unbedingt für alle zu empfehlen, die sich mit agiler Transformation befassen.

Quandte, Jens; Mnich, Peter; Novotny, Valentin (2023): Vier Reifestufen einer resilient-agilen Organisation. Wirkungsvolle Tools und Ideen zur Transformation: Vahlen, 322 S.

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