Ist humane Arbeit Bullshit?

ChaplinDie humanistische Psychologie prägt seit langem den Tenor fortschrittlicher Personalarbeit. Es geht dabei um Sinnstiftung, offene Kommunikation, gegenseitige Wertschätzung, kooperative Führung, intrinsische Motivation. Unter anderem. Aber ist das wirklich der richtige Dreh? „Nein, in der Wirtschaft dreht sich alles um den Kunden!“ sagt Lars Vollmer in einem Beitrag für die Zeitschrift Capital.  

Vollmer kritisiert, dass die sogenannte New Work Bewegung der Wirtschaft ihre Moralvorstellungen von humaner Arbeit aufdrücken wolle. Für sie stehe nicht mehr die Wertschöpfung für den Kunden im Fokus, sondern die Wertschätzung für den Mitarbeiter, wenn ich das mal etwas verkürzt zusammenfassen darf. Damit könne aber kein Unternehmen überleben, denn das Geld werde schließlich auf dem Markt verdient. Und da zählen nun mal Größen wie Innovation, Qualität, Agilität und Service. Die humanistischen Ideen der New Work Bewegung seien damit ebenso Business-Theater wie die Ressourcen-fressenden, starren Strukturen und Prozesse des traditionellen arbeitsteiligen Unternehmens. Beides trage nicht zur Wertschöpfung bei.

Aber vielleicht geht es hier auch nur um Nuancen? Wenn der Sinn von Wirtschaften darin besteht, Mehrwert zu schaffen, dann ist es doch legitim, die Frage zu stellen, wie das am besten geht. Und es geht in Zeiten zunehmender Komplexität (= mehr Vernetzung, mehr Diversität, mehr Dynamik) eben nicht mehr über die tayloristische Organisation von Arbeit, sondern über ebenso vernetzte, diverse und dynamische Strukturen und  Prozesse in den Unternehmen. Da trifft sich doch die Kritik am Taylorismus mit den humanistischen Ansätzen. Denn es wäre zugleich der Übergang von einer Ressourcenausbeutungs-Gesellschaft zu einer Potentialentwicklungs-Gesellschaft, wie das Gerald Hüther einmal so schön formuliert hat.

„Was ist Fortschritt?“

Vollmer subsummiert zum Schluss alles unter dem Begriff Fortschritt, bei dem humane Arbeit auch irgendwie vorkomme. Aber eher so als Abfallprodukt. Doch was ist Fortschritt? Ein sehr faszinierenden kanadischen Dokumentarfilm trägt den Titel „Surviving Progress“, und er stellt gleich am Anfag die Frage „Was ist eigentlich Fortschritt?“ Die befragten Wissenschaftler konnten diese Frage nicht beantworten. Vielleicht, weil wir davon eine genauso vage Vorstellung haben, wie vom Begriff Wertschöpfung. Womit wir wieder beim Thema wären. Ohne die Orientierung an gemeinsamen Werten, ohne die Zuschreibung von Sinnhaftigkeit, bleiben Begriffe wie Fortschritt und Wertschöpfung reine Worthülsen, die diese Begriffe letztlich nur auf die positive Entwicklung unternehmerischer oder volkswirtschaftlicher Erfolgsrechnungen reduziert. Mit all ihren sozialen und ökologischen Folgen. Wollen wir das?

„Nein, aber der Markt will das“, höre ich schon das Mantra des Homo oeconomicus. Nun gibt es den Markt aber als handelndes Subjekt gar nicht, sondern der Markt ist das Integral der wirtschaftlich Handelnden in ihrer Gesamtheit. Der Markt will gar nichts, Menschen wollen etwas.  Und vielleicht wäre es ja hilfreich, wenn sich diese beiden Bewegungen, die New Work Bewegung und die Bewegung des agilen Managements, einfach verbünden würden. Denn nur wer sinnhaft arbeitet, wer Motivation im Team entwickelt, wer für seine Arbeit auch Wertschätzung bekommt, ist ein echter Leistungsträger in der Wertschöpfungskette  Aber das wäre dann auch humane Arbeit. Und Wertschöpfung ohne Humanität wäre doch nicht wirklich ein Fortschritt, oder?

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