Lösungsfokussiertes Coaching: Warum Ihnen der Blick auf das Problem nicht weiterhilft.

Problemsicht hilft nicht im CoachingHaben Sie schon einmal die Erfahrung gemacht, dass Sie ein Problem von allen Seiten betrachtet und sich geradezu darin festgebissen haben – ohne eine Lösung zu finden? Dahinter steckt eine immanente Logik. Im folgenden Beitrag erkläre ich diese und zeige Ihnen, wie es durch lösungsfokussiertes Coaching  anders geht.

„Problem space is not solution space.” (Albert Einstein)

Wer ein Coaching in Anspruch nimmt, möchte in der Regel ein Problem lösen. Immer wieder erlebe ich es im Coaching allerdings, dass Klienten mit der Erwartung kommen, dass ich ihr Problem löse. Und damit ich das vermeintlich gut kann, möchten sie mir ihr Problem in allen Facetten schildern. Dieses Bedürfnis ist verständlich, erwartet ein Coachee doch auch Verständnis für „sein“ Problem. Dennoch: Dahinter steckt der Glaubenssatz, dass ich ein Problem erst genau verstehen muss, um es zu lösen. Das ist aber nach meiner Erfahrung nicht der Fall. Ganz im Gegenteil:

Die Fokussierung auf das Problem führt zu einer sogenannten „Problemtrance“, wie das im Fachjargon heißt. Der Klient ist dann so fokussiert auf das Problem, dass seine Gedanken immer nur um das Problem kreisen und er keine Auswege, keine Ansätze zu einer Lösung erkennen kann. Es entsteht mitunter ein Teufelskreis des Problems, aus dem es scheinbar kein Entrinnen gibt. Im schlimmsten Fall können sogar depressive Zustände oder Angststörungen auftreten. Wie kommen Menschen aus dieser Falle wieder heraus?

Der Psychotherapeut Steve de Shazer und seine Partnerin Insoo Kim Berg haben in den 1980er Jahren ein Verfahren entwickelt, das sie lösungsfokussierte Kurzzeittherapie nannten. Anstatt auf Probleme fokussiert diese Beratungsform auf Lösungen. Dieser Perspektivenwechsel hat sich als heilsam erwiesen. Mit dem Klienten wird nach Auswegen gesucht, nach Lösungen. Das Problem wird nicht analysiert – zum einen deshalb, um die Problemtrance zu vermeiden, zum anderen deshalb, weil das Problemverständnis uns meist keine Tür zur Lösung öffnet. Der lösungsfokussierte Berater führt den Klienten also vom Problem- in den Lösungsraum.

Diese Beratungsform hat inzwischen Einzug ins Coaching genommen. Durch lösungsfokussierte Fragen werden kleine Schritte der Veränderung ausgelöst. Coachees erkennen anstatt ihrer Schwächen ihre Stärken, sie erfahren ihre Ressourcen und vor allem auch bisherige, erfolgreiche Strategien, die sie vorangebracht haben. So stellt ein Coach Fragen wie „Was hat Dir bisher geholfen, damit das Problem nicht auftritt?“ „Wann ist das Problem nicht vorhanden? Was ist dann anders?“ oder „Was genau hätte sich für Dich verändert, wenn Dein Problem gelöst wäre?“

Die drei Grundprinzipien des lösungsfokussierten Coaching sind:

  • Finde heraus, was gut funktioniert und tue mehr davon.
  • Repariere nicht, was gut funktioniert.
  • Wenn etwas nachhaltig nicht gut funktioniert, dann lasse es sein und teste einen anderen Weg.

Steve de Shazer geht davon aus, dass sich Veränderung meist in kleinen Schritten vollzieht. Diese Schritte gilt es zu stärken. Dabei gilt der Grundsatz „Power to the patient!“ Es ist also nicht der Coach, der diese Schritte vorgibt, sondern der Klient selbst. Der Coach begleitet den Klienten im Coaching durch lösungsfokussierte Fragen in diesem Prozess. Nur dadurch sind positive Bewältigungserfahrungen möglich. Die nämlich stärken in unserem Gehirn bereits vorhandene hilfreiche Muster oder erzeugen neue neuronale Verknüpfungen.

Zudem aktiviert eine positive Lernerfahrung unser Dopaminsystem, was wir als Glücksempfinden wahrnehmen. Das fördert neuronale Lernprozesse und eröffnet mehr Handlungsmöglichkeiten. Der Problemfokus hingegen würde die alten, problematischen Denk- und Verhaltensmuster stärken und wenig zu positiver Veränderung beitragen. Dies könnte auch erklären, warum Problem-fokussierende Beratungsmethoden zu eher langwierigen Veränderungsprozessen führen.

Lösungsfokussiertes Coaching ist sehr Handlungsorientiert. Es geht also nicht so sehr um das „Erdenken“, sondern um das „Erhandeln“ von Veränderung. Durch sogenannte Skalierungsfragen wird immer wieder getestet, wie stark sich ein bestimmtes Verhalten auf das Befinden des Coachee auswirkt. Lösungsfokussiertes Coaching ist ebenso wie das NLP ein Verfahren der Kurzzeitberatung. So lassen sich Beratungsprozesse im Coaching auf wenige Sitzungen beschränken.

 Literatur:

Bamberger, Günter G. (2010): Lösungsorientierte Beratung: Praxishandbuch. Mit Online-Materialien. Beltz-Verlag, 398 S.

Schmitz, Lilo (2009): Lösungsorientierte Gesprächsführung. Übungen und Bausteine für Hochschule, Ausbildung & kollegiale Lerngruppen. Dortmund: Borgmann. 128 S.

Rauen, Christopher (2008): Coaching-Tools. Erfolgreiche Coaches präsentieren 60 Interventionstechniken aus ihrer Coaching-Praxis. 6., überarb. Aufl. Bonn: ManagerSeminare-Verl. (Praxishandbuch Coaching). 368 S.

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