Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser.

War da nicht was? Hieß es nicht umgekehrt „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“? So sagte jedenfalls einst Lenin. Erstaunlich, dass diese schon sprichwörtliche Weisheit des Gründers der Sowjetunion vielen Menschen immer noch locker über die Lippen kommt – über 20 Jahre nach dem Zusammenbruch des Sozialismus in Osteuropa. Den Gegenentwurf dazu lieferte vor einigen Jahren Reinhard Sprenger mit seinem Buch „Vertrauen führt“. Führt es wirklich?

Es gibt genügend Führungskräfte, denen Kontrolle und Führung stets noch als Synonyme erscheinen und immer wieder Belege dafür finden, dass sie recht haben. „Immer wieder gibt es Unregelmäßigleiten“ oder: „Ohne Kontrolle arbeiten die nicht gut.“ Das sind einige der vielen Einwände. Doch Kontrolle ist der Bruder von Misstrauen und wo soll in einer derartigen Atmosphäre Vertrauen wachsen. Mehr noch: Misstrauen demotiviert, zerstört es doch eine wichtige Grundvoraussetzung von Motivation: Autonomie. Wer Aufgaben und Problem eigenständig und erfolgreich lösen kann, erzeugt seine Motivation selbst.

Wer aber in einer, von Kontrollitis geprägten Arbeitskultur Leistung bringen soll, der macht das nur unter Druck und mit der Befürchtung, für Fehler sanktioniert zu werden. Getoppt wird das zusätzlich durch die vermeintlich fortschrittliche Einführung von leistungsbezogener Bezahlung. Damit ist die Konditionierung perfekt. Mitarbeiter empfinden sich als gegängelt und fremdgesteuert. Gift für jegliche intrinsische Motivation. Und ja, dieses System produziert den Bedarf an Kontrolle ständig wieder aufs Neue. „Lässt man die Zügel locker, wird das schamlos ausgenutzt.“ Natürlich, denn das lockern der Zügel wird ja auch kaum als Vertrauensbeweis, sondern eher als Unachtsamkeit interpretiert.

Warum aber sollte Vertrauen besser sein? Antwort: Weil es das Kohärenzerleben der Mitarbeiter stärkt. Dieser Begriff stammt aus der Gesundheitspsychologie und umfasst drei Komponenten:

  • Verstehbarbeit: Ich verstehe meine Aufgaben.
  • Handhabbarkeit: Ich weiß, wie ich meine Aufgaben erledigen und Probleme lösen kann.
  • Bedeutsamkeit: Ich erlebe meine Arbeit als für mich sinnvoll.

Wenn Mitarbeiter der Raum bleibt, ihren Job selbstorganisiert auszuführen und Erfolge als ihre Erfolge zu erleben (und nicht als Resultat guter Kontrolle und Belohnung), dann braucht es keine zusätzlichen Motivatoren. Der Wirtschaftspsychologe Stefan Eberz spricht von einem übergreifenden Vertrauenserleben. Es ist, wie Eberz und seine Mitautoren feststellten zudem ein guter Stresspuffer. Weniger Stress, weniger stressbedingte Fehler und weniger Ausfälle der Mitarbeiter wegen Krankheit.

Damit dieses übergreifende Vertrauen entstehen kann, muss allerdings ein entsprechender Rahmen geschaffen werden. Das ist eine originäre Aufgabe von guter Führung. Sie muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Komponenten Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit erlebt werden können. Und das ist übrigens der effektivere  Führungsstil. Denn nicht zuletzt an den Kosten seiner übergreifenden Kontrollstrukturen ist das Sowjetreich schließlich zusammengebrochen.

Literatur:
Lernen von Stefan Eberz: übergreifendes Vertrauen (in Wirtschaftspsychologie aktuell)

Das könnte Sie auch interessieren:

Diesen Beitrag teilen