Die Logik des Misslingens

Unter diesem Titel veröffentlichte Dietrich Dörner 1989 ein sehr lesenswertes Buch über kleine und große Katastrophen und ihre psychologischen Erklärungen. Er zeigt auf, wie schwer es Menschen fällt, in Systemen zu denken, was Fehler geradezu vorprogrammiert. Das Buch  hat an Aktualität nichts eingebüßt. Im Coaching versuchen wir immer wieder,  Menschen bei der Erreichung von Zielen zu unterstützen. Aber bereiten wir Klienten auch auf die Widrigkeiten vor, welche die Wege zum Ziel manchmal beschwerlich machen? In einem Beitrag für kommunikation & seminar (Heft 6/2010) betrachte ich diesen Aspekt aus systemischer Sicht und aus der Perspektive des NLP. Hier ein Auszug:

Kaum hatte der Siegeszug der deutschen Nationalelf bei der WM in Südafrika im Halbfinale einen Bremser bekommen, schon wurde darüber spekuliert, ob Bundestrainer Löw zurücktreten wird. Misserfolge sind scheinbar nicht akzeptabel. Es muss aufwärts gehen, möglichst stetig. Wer verliert, hat halt versagt, ist kein echter Siegertyp. So einfach ist das. Fehler sind das Resultat von Fehlverhalten und das gehört abgemahnt oder gar sanktioniert. Basta!

Hinter dieser Sichtweise steckt der Perfektionismus des deutschen Maschinenbaus. Ein Rad greift in das andere und die Sache läuft rund. Aber Menschen sind keine Maschinen und Teams keine Fertigungskette. Schon der Theologe John Henry Newman sagte sehr treffend: „Ein Mensch würde nie dazu kommen, etwas zu tun, wenn er stets warten würde, bis er es so gut kann, dass niemand mehr einen Fehler entdecken könnte.“

Die Illusion der Planbarkeit

Maschinen sind triviale Systeme. Sie sind gekennzeichnet durch Berechenbarkeit. Systemiker sprechen von Kybernetik erster Ordnung. Überall dort, wo Menschen handeln, haben wir es mit komplexen Systemen zu tun. Diese lassen sich nicht berechnen wie die Flugbahn einer Rakete, weil sie sich ständig verändern und im Prozess der Anpassung befindlich sind. Man spricht hier von Kybernetik zweiter Ordnung.

Erfolg innerhalb solcher Systeme ist damit kein berechenbares Vorhaben. Und ein Coaching, das Menschen nicht von der Illusion der Planbarkeit befreit, das Klienten ihre Timeline in die Zukunft wie eine Straße ins Glück pflastern und festklopfen lässt, wird im Transfer spätestens dann scheitern, wenn die Klienten feststellen, dass sich ihre Straße mit anderen Straßen kreuzt und die Ampeln nicht immer auf Grün stehen. Straßen können auch zu Sackgassen werden oder in die Wüste führen, wo früher noch paradiesisches Grün wucherte. Und zwar nicht unbedingt deshalb, weil die anvisierten Ziele falsch waren, sondern weil sich lernende Systeme eben nicht so fahren lassen wie eine Lokomotive.

Es fällt Menschen schwer, das zu akzeptieren. Ein weit verbreiteter Glaubenssatz in der Beraterszene lautet: Erfolg muss planbar sein und ein Coach oder Berater sollte dafür sorgen, dass der Klient nicht vom Weg abkommt. Alles muss gelingen. Immer. Dabei liegen auf dem Weg selbst der Erfolgreichen  Misserfolge, auch wenn sie nicht gern darüber reden. Abraham Lincoln fiel zweimal geschäftlich auf die Nase, erlitt einen Nervenzusammenbruch, verlor insgesamt sieben Mal bei Wahlen zum Senat, zum Repräsentantenhaus und zum Vizepräsidenten, bevor er schließlich zum Präsidenten der USA gewählt wurde.

Ein Beispiel unter vielen. Es scheint nicht darauf anzukommen, ob Menschen scheitern oder nicht, sondern darauf, wie sie mit Misserfolgen umgehen. Wenn Misserfolge die Selbstzweifel nähren, dann stehen sie in der Tat dem Erfolg im Weg. Wenn Menschen das Scheitern aber als wertvolle Erfahrung verbuchen können, wenn sie das Lernpotential dahinter erfassen, dann kann es sogar den Weg zum Erfolg ebnen. Dieses Paradoxon beschreibt der US-amerikanische Coach Anthony Robbins so: „Erfolg ist das Ergebnis von guter Einschätzung. Gute Einschätzung ist das Ergebnis von Erfahrung, und Erfahrung ist oft das Ergebnis von schlechter Einschätzung.“

(…)

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    Eine Antwort auf „Die Logik des Misslingens“

    1. „Erfolg ist das Ergebnis von guter Einschätzung. Gute Einschätzung ist das Ergebnis von Erfahrung, und Erfahrung ist oft das Ergebnis von schlechter Einschätzung.“ Diese beiden Sätze des Coachs Anthonny Robbins bringen es auf den Punkt und können helfen Misserfolge anders zu bewerten.
      Meiner Meinung nach ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Erfolg die Bewertung von Fehlern, Stürzen und Misserfolgen. Wer gelernt hat, damit gut umzugehen, sich nicht selbst abzuwerten, sondern sich neu zu positionieren, derjenige ist gut vorbereitet und deshalb darf dies auch nicht im Coaching fehlen, denn wie so schön von Ihnen beschrieben “Straßen können auch in Wüsten führen”.

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