Kommunikation: Auf Droge

Nehmen Sie einen Schnaps mit auf einen Spaziergang? Oder in ein Meeting? Wahrscheinlich nicht, oder? Warum aber haben wir immer und überall unser Smartphone dabei? Sie meinen, das sei ein irrer Vergleich, nicht wahr? Keine Droge? Wirklich nicht?

Schnell mal einen Blick auf die E-Mails zwischendurch und schauen was im Netz so abgeht. „Papa, Du bist ein Smombie!“ „Ein was?“ „Ein Smoooombiiie!“ Ich musste das erst mal nachlesen. Dieser Begriff setzt sich aus Smartphone und Zombie zusammen und meint Menschen, die ständig in ihr Smartphone schauen. Ich habe auch gelernt: Etwa ¾ der Deutschen besitzen ein Smartphone und nutzen es im Schnitt 88 mal pro Tag. Im Schnitt! So oft nutze ich mein Gerät zwar nicht, aber der Vorwurf meiner Kinder hat mir doch zu denken gegeben.

Was die Kommunikation fördern kann, beschränkt sie zu oft. Es ist schon so, das hatte ich ja in früheren Blogbeiträgen geschrieben, dass dieses nicht-präsent sein im hier und jetzt auch in Workshops und Seminaren immer mehr ein Problem darstellt. Teilnehmer berichten mir außerdem davon, dass es in Meetings gang und gäbe sei, zu chatten und E-Mails zu lesen. So ganz nebenbei.

Diese Tendenz ist bei jungen Leuten noch viel mehr ausgeprägt. Die 15jährige Tochter von Freunden tut sich inzwischen schwer, sich mit Gleichaltrigen zu treffen, da diese regelmäßig über ihren mobilen Geräten hocken und sich der Fokus mehr auf Netzinhalte bezieht, aber eben gerade nicht auf die Unterhaltung miteinander. Simon Sinek, amerikanischer Berater und Speaker, nimmt in einem TV-Interview dieses Kommunikationsverhalten sehr pointiert aufs Korn. Das sei kennzeichnend für die sogenannten Millemials, also die Jahrgänge nach 1984. Er beschreibt es als Sucht, die nicht anders funktioniert als andere Drogen wie Alkohol oder Zigaretten. Sie aktiviert unser Dopamin-System kurzzeitig. Aber sie verhindert die eben auch anstrengende Beschäftigung mit den wirklich wichtigen Dingen im Leben.

Das Smartphone ist der Flachmann einer ganzen Generation.

„Wir haben Einschränkungen, was den Gebrauch von Alkohol und anderen Drogen betrifft, aber wir kontrollieren die Nutzung von Smartphones nicht“, sagt Sinek. Die Millemials seien eine Generation, die mit der Illusion aufgewachsen sei, dass man so ziemlich alles haben könne, was man wolle. Möglichst sofort. Echte, nachhaltige Beziehungen könnten so nicht entstehen und Zufriedenheit mit einer sinnerfüllten Arbeit auch nicht, sagt Sinek. Das erfordert nämlich Anstrengung und braucht Zeit. Liebe, echte Bindungen, Zufriedenheit und Erfolg entstehen nicht per Klick. Probleme? Nein, ich spreche nicht mit Freuden drüber, sondern google im Netz. Und ein schönes Erlebnis hat nur dann wirklich stattgefunden, wenn ich es bei Facebook gepostet habe.

Ich fürchte, Sinek trifft den Nagel auf den Kopf. Ich selbst fühle mich selbst ertappt und gelobe für 2017 Besserung. Werde meinen Radiowecker gleich mal wieder aktivieren und das Smartphone häufiger mal ausgeschaltet lassen. Wenn Sie mich erreichen wollen, gern eine Nachricht hinterlassen. Ich rufe zurück. Wie ist das mit Ihnen? „Aber ich muss doch erreichbar sein!“ Ja? Immer und überall? Dann gern mal an den Flachmann denken. Guten Start ins neue Jahr!

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