Good Business oder Good Work?

Erfolgreiche Geschäftsleute werden von den einen geachtet und von den anderen verachtet. Daraus lässt sich schließen, dass man sich Anerkennung ebenso wie Neid erarbeiten muss. Aber ist das wirklich alles? Ich denke nein, denn gutes Business hat mit guter Arbeit nicht unbedingt etwas zu tun.

Menschen lieben Erfolgsgeschichten, besonders die eigenen. Und wenn es für die eigenen gerade mal nicht reicht, dann liefern Vorbilder ein ganz gutes Modell ab: Henry Ford, Warren Buffett, Steve Jobs, Mark Zuckerberg. Die Liste ließe sich fortsetzen. Interessant, dass den wenigsten Menschen beim Thema Erfolg auch Namen wie Nelson Mandela, Gandhi oder Rupert Neudeck in den Sinn kommen. Und kennen Sie Jos de Blok? Oder Jimmy Wales? Nicht? Jos de Blok ist Gründer und Chef von Buurtzorg, des mit Abstand erfolgreichsten ambulanten Pflegedienstes in den Niederlanden. Und Jimmy Wales ist der Gründer von Wikipedia.

Vielleicht sind uns diese Namen nicht geläufig, weil der Erfolg dieser Menschen nicht so sehr in ihrem Einkommen oder dem bilanziellen Erfolg ihrer Organisationen liegt, sich also nicht monetär in Zahlen ausdrücken lässt. Aber dennoch sind sie erfolgreich. Es ist doch ein Aberwitz, dass so manchen Managern großer Konzerne immer noch viel Ehre zuteil wird, obwohl sie einen großen Flurschaden hinterlassen haben, siehe Bankenkrise und Abgasskandal. Andere Manager wiederum beginnen irgendwann an ihren vermeintlichen Erfolgen zu zweifeln oder gar zu verzweifeln. Sie hetzen von einem Meeting zum nächsten, steigern EBIT und den Aktienwert ihres Unternehmens – und fragen sich irgendwann: wozu?

Dieses „Wozu“ ist eine Schlüsselfrage, wenn es um die Sinnhaftigkeit unseres Tuns geht. Und die liegt nie allein im monetären Nutzen von geschäftlicher Tätigkeit. Warum existieren Unternehmen? Die klassische Betriebswirtschaftslehre sagt: Um Gewinne zu produzieren. Doch das ist ein Trugschluss, denn kein Kunde interessiert sich für die Gewinne eines Unternehmens. Ich kaufe nicht bei C&A ein, um deren Eigentümern und Mitarbeitern das Bankkonto zu füllen .

Der eigentliche Erfolg von Menschen liegt darin, einem Mehrwert für die Gesellschaft geschaffen zu haben. Es geht also nie um Überschüsse irgendeiner Art, sondern um einen konkreten materiellen oder immateriellen Nutzen für andere. Darin liegt der wahre Erfolg menschlicher Tätigkeit. Erfolg er-folgt, wenn wir etwas Sinnhaftes unternehmen. Das ist der Mehrwert. Stößt unser Tun auf eine positive Resonanz, dann sind wir auch erfolgreich. Aber der interessante Teil ist die Schöpfung, die Produktion eines Mehrwertes, nicht sein Ausdruck in Geld.

Was bedeutet also Good Work? Für mich sind folgende Fragen essentiell:

  • Worin liegt der Wert meiner Arbeit für mich und für andere?
  • Steht für mich die Qualität meiner Arbeit im Vordergrund oder nur die Menge produzierter Waren oder Dienstleistungen?
  • Geht es Menschen und Organisationen mit dem, was ich ihnen anbiete, nachhaltig besser oder entzünde ich nur kurzweilige Strohfeuer?
  • Hilft meine Arbeit anderen Menschen zu wachsen und ihre Ziele besser zu erreichen, oder schaffe ich vor allem Abhängigkeiten?
  • Trage ich zum Zusammenhalt von Menschen bei oder produziere ich eher Konkurrenz und parasitäre Beziehungen?
  • Arbeite ich mit andern Menschen zielorientiert zusammen oder bin ich nur auf meinen eigenen Vorteil aus?
  • Löse ich Konflikte konstruktiv im Sinne von Win-Win oder will ich andere besiegen?

Wenn Jos de Blok mit einem Unternehmen hunderttausenden alten und behinderten Menschen eine wertschätzende Unterstützung bietet, die über das hinausgeht, was Pflege im engeren Sinne bedeutet, dann ist das der Erfolg und nicht sein Marktanteil von 60%. Der interessiert ihn offenbar auch nicht so besonders, denn er bietet anderen Organisationen sogar kostenfreie Unterstützung für den Aufbau einer Pflege nach dem Buurtzorg-Modell an. Und Jimmy Wales ist mit Wikipedia alles andere als reich geworden. Sein Erfolg liegt im Aufbau eines weltumspannendes Netzwerks des Wissens, der größten Enzyklopädie, die jemals geschrieben wurde – und immer noch wächst.

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