Zuwenig Kreativität ist schlecht fürs Geschäft – zu viel auch!

MalerDie Weiterbildungsbranche ist voll von Angeboten zur Kreativitätssteigerung. Kreativitätstechniken und Ideenmanagement sollen Unternehmen auf die Überholspur bringen. Doch so manches Unternehmen ist dabei schon ins Schleudern geraten. Weil Kreativität allein leider kein Erfolgsrezept ist. Was Sie über Kreativität wissen sollten.

Kreativ ins Chaos

Vor einigen Jahren startete ein großes DAX-Unternehmen ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt mit einem Millionenetat. Die besten Köpfe wurden angesetzt – und setzten das Projekt brachial in den Sand. Was war geschehen? Man glaubte, dass Kreativität der Schlüssel für gute Lösungen sei und setzte folgerichtig vor allem Forscher und Kreative auf das Projekt an. Die produzierten auch eine Menge Ideen. Nur verhedderte sich das Team in Diskussionen und in Auseinandersetzungen über die beste Lösung, forschte und entwickelte am Bedarf vorbei und es war absehbar, dass das Spitzenteam  alles andere als Spitzenergebnisse erzielen würde. So zog irgendwann die Firmenleitung die Notbremse und stoppte das Projekt.

Nun war es keineswegs so, dass die hier beteiligten Kreativen einen schlechten Job gemacht haben. Vielleicht haben sie sogar einen hervorragenden Job gemacht, nämlich fleißig Ideen produziert. Es ist die Aufgabe kreativer Köpfe, Ideen zu produzieren. Und dass nur etwa 2,5% der Bevölkerung zu den Innovatoren zählen, erklärt auch, warum Innovation eher die Ausnahme denn die Regel in Firmen und Organisationen ist. Es braucht Querdenker, Träumer und Idealisten, die mit Leidenschaft neues erdenken, um den Keim des Fortschritts zu sähen, aus dem dann Fruchtbares entspringt. Leider ist es die Ironie des Schicksals, dass sich die wenigsten genialen Erfindungen zu einer Erfolgsgeschichte entwickeln und deren Erfinder Ruhm und Reichtum bescheren. Es kommt entscheidend darauf an, dass das Neue auf Resonanz stößt und damit ein Unternehmen oder  einen ganzen Markt in Schwingungen versetzt. Und es braucht mehr als Erfindergeist. So verlaufen glänzende Innovationen im Sande oder kommen erst zu spätem Ruhm.

Oft führt erst der zweite Schritt zum Erfolg.

Den wenigsten Menschen wird der Name Andreas Pavel geläufig sein. Er hat 1977 ein Gerät zum Patent angemeldet, das später unter dem Namen „Walkman“ zum Welterfolg wurde. Allerdings war es nicht Pavel, sondern der japanische Sony-Konzern, der das Geschäft machte. Pavel strengte eine gerichtliche Klärung an, die ihn beinahe in den finanziellen Ruin trieb. Gewinner blieb Sony. Auch den Erfindern des ersten Motorflugzeugs, den Gebrüder Wright, brachte der Erfolg ihrer Erfindung wenig Reichtum. Weiterentwicklungen der Idee waren technisch besser und brachten der Luftfahrtindustrie den entscheidenden Entwicklungsschub.

Aber was macht Innovationen erfolgreich? Walt Disney wird nachgesagt, dass er eine Formel für Erfolg gefunden hat. Er hatte neben seiner Kreativität vor allem zwei Kompetenzen, die seinen Erfolg beförderten. Es hat sich nämlich nicht nur ständig selbst neu erfunden, sondern er war gleichzeitig auch einer seiner stärksten Kritiker. Und das war gut so. Denn es braucht neben Ideen auch eine gehörige Portion kritischen, analytischen Verstand, um die Idee auf den Prüfstand zu stellen, technische Lösungen zu hinterfragen – und zu verbessern. Der Kritiker ist oft der Stachel im Fleisch der Kreativen. Das nervt die meisten Entwickler. Der Kritiker ist gewissermaßen der Gegenentwurf des Kreativen. Wo letztere Chancen und Stärken sehen, sieht er Risiken und Schwächen. Der Kritiker allein würde die Welt nicht verändern, zu groß ist seine Angst vor den Gefahren. Überlassen Sie also niemals einem kritischen Geist die Führung eines Change-Projektes. Er würde Ihnen sehr schnell klar machen, dass es sich nicht lohnt, das Projekt weiter zu führen. Aber er öffnet auch den wertvollen Blick für die Grenzen, und für die möglichen Irrwege und Abgründe. Er ist das Korrektiv des Träumers.

Der Kompetenzmix machts

Beide zusammen, Kreativer und Kritiker machen aber noch kein gutes Team, denn sie würden sich in endlosen Debatten zerlegen. Und das Ergebnis wäre zweifelhaft. Es braucht eine dritte Kraft, nämlich den Pragmatiker, den Macher, der mit der Zukunft im Blick das Konglomerat von Ideen und Zweifeln zu einer brauchbaren Konstruktion schmiedet. Der Pragmatiker interessiert sich nur dann für Innovationen, wenn sie eine Chance auf dem Markt der Ideen haben und sie einen echten Mehrwert liefern. Und er interessiert sich nur dann für Kritik, wenn diese jenseits von Schwarzmalerei berechtigte Bedenken ausdrückt und zu besseren Lösungen weist. Kurzum, er extrahiert aus Ideen und kritischer Analyse das, was die Chance auf eine Zukunft hat. Er hat den Riecher für Erfolg.

Henry Ford, Carl Bosch, Max Grundig, Steve Jobs, Wendelin Wiedeking waren und sind derartige Pioniere, die Neues gewagt haben ohne sich im Geflecht von Ideen und Zweifeln zu verfangen. Ihnen ist es gelungen, mit Zielorientierung und Nachhaltigkeit Projekte voranzutreiben. Diese Fähigkeit zeichnet erfolgreiches Unternehmertum aus. Das entwerten aber nicht die Ideen, denn Kreativität und Einfallsreichtum sind der Kristallisationskeim, um den eine Idee zur Reife wachsen kann.

Erfolgreiche Unternehmer haben den richtigen Riecher

Unternehmer sind immer dann erfolgreich, wenn sie den dialektischen Prozess des Fortschritts beherrschen: aus Idee und Kritik eine machbare Synthese kreieren. Ein Unternehmen, das nur kreativ ist, das ständig im Change ist, verdient kein Geld, wie der Organisationspsychologe Peter Kruse zu Recht sagt. Denn Kreation ist ein ressourcenzehrender Prozess. Ziel in Unternehmen muss immer wieder eine effektive Prozesskette sein, denn nur in der Produktion kann ein Unternehmen Gewinn machen und eine Organisation kostendeckend arbeiten. Phasen der Innovation sind immer Störungen der Produktivität. Temporär sind diese aber notwendig, wenn die alten Prozesse nicht mehr zeitgemäß sind.

„Aber Herr Sander! Die Natur, die sie doch so oft als Vorbild nehmen, ist doch auch ständig im Change –  und dennoch produktiv!“ Ja, aber dort reden wir von Fließgleichgewichten, graduellen Anpassungen. Da ist gewissermaßen das Management der Ökosysteme am Werk, bei dem Prozesssteuerung im Vordergrund steht. Nicht aber das ständige Neuerfinden von Prozessen. Die gibt es in der Natur auch, nämlich immer dann, wenn wir aus der menschlichen Perspektive von Katastrophen sprechen. Diese bewirken in der Natur einen Innovationsschub, weil nun plötzlich Organismen entstehen und sich Systeme entwickeln, die an die neuen Bedingungen besser angepasst sind. Übertragen auf das Unternehmen liegt genau hier der Unterschied zwischen Management und Leadership. Die einen steuern, die anderen verändern.

 

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