Jenseits von „Tschakka!“ und Incentives

 Menschen lassen sich nicht motivieren. Dennoch können Führungskräfte Grundlagen für nachhaltige Motivation legen.
(neuer Beitrag von mir in Kommunikation & Semiar, Heft 4 /2012)

„Motivation ist bei uns kein Thema“, hörte ich einmal eine Teilnehmerin sagen. Ich leitete ein Seminar zum Projektmanagement, und es ging gerade um die Bedeutung der Motivation des Einzelnen und des Teams für das Gelingen eines Projektes. „Mit so was können wir uns nicht beschäftigen.“ Von Führungskräften hört man gelegentlich ähnliches, dass nämlich die Motivation ihrer Mitarbeiter jeden Monat aufs Konto komme. Und als in den letzten Jahren die teilweise horrenden Managerboni heftig kritisiert wurden, konterte die Gegenseite sofort mit dem Motivationsargument. Finanzielle Anreize seien erforderlich für gute Leistungen. Wirklich?

Diverse Studien zeigten: Anreizsysteme haben schon für weniger kognitiv herausfordernde Tätigkeiten keine Wirkung oder können sogar kontraproduktiv wirken, wenn sie die Selbstbestimmung vermindern und ein Gefühl von Fremdbestimmung erzeugen (Frey und Osterloh 2000). Selbst gute Arbeitsbedingungen und gute Beziehungen zu Kollegen und Vorgesetzten wirken nicht motivationssteigernd, wie der Psychologe Frederic Herzberg schon in den 1950er Jahren feststellte. Allerdings sind diese Hygienefaktoren, wie Herzberg sie nannte, geeignet, um Desmotivation zu vermeiden.

Woher kommt sie denn nun genau, die Motivation? Und was können wir dafür tun? Können wir überhaupt?

Das Neurolinguistische Programmieren hat in Bezug auf das Thema Motivation ein besonderes Image. Es gilt manchem immer wieder als Wunderwaffe zur Zündung des Motivationsturbos. Moments of Excellence, Master Modelling und das Auslösen unterstützender Anker werden als motivierende Werkzeuge im Coaching-Instrumentarium gesehen. Vielfach gelingt das hervorragend und ist absolut hilfreich. Nachhaltig wirken diese Tools freilich selten, sie gleichen eher einem Strohfeuer, an dem Klienten sich kurzzeitig erwärmen können. Wie können vor allem Führungskräfte Menschen bei der nachhaltigen Erweckung ihres inneren Antriebs besser als bisher unterstützen?

Mission impossible

Zunächst einmal die schlechte Nachricht vorweg: Wir können Menschen nicht direkt motivieren. Das jedenfalls behaupten Neurowissenschaftler recht überzeugend. Werfen wir also einen kleinen Blick in neuronale Mechanismen von Motivation. Letztere entsteht immer dann, wenn Menschen positive Lernerfahrungen machen. Immer dann, wenn Menschen etwas gut gelingt, wenn sie ein Problem erfolgreich lösen, wenn sie eine Herausforderung erfolgreich bewältigen, wird in unserem Gehirn das dopaminerge System aktiviert und Endorphine werden ausgeschüttet. Diese Neurotransmitter breiten sich in unserem Gehirn aus und sind letztlich für das Gefühl von Glück verantwortlich, das Menschen in diesen Moments of Excellence erleben.

Motivation ist also sehr eng verknüpft mit dem eigenen Erleben. All das, was unter die Haut geht, wie der Göttinger Neurobiologe Gerald Hüther betont, sei bedeutsam für das Gehirn. Dies können auch innere Bilder sein, denn die haben neuronal die gleiche Wirkung wie „reale“ Wahrnehmungen.

NLPler wissen das natürlich schon lange. Aber jetzt wissen wir auch, warum es wirkt: Während Menschen diesen Dopaninimpuls erleben, wird neuronal die Bildung und Stärkung von Synapsen gefördert. Es bahnen sich neue Wege, neue Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen, und aus neuronalen Trampelpfaden werden Straßen und Autobahnen. Kurzum: Motivation ist das Ergebnis eines neuronalen Lernprozesses. Motiviert sind Menschen vor allem dann, wenn etwas besser ist als erwartet, und zwar in dem Moment, wo sie Grenzen ihrer bisherigen Fähigkeiten überschreiten (Spitzer 2007). Das schließt also ein, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich Herausforderungen zu stellen.

Appelle, Belohnungen, Durchhalteparolen oder gar Drohungen wirken nie motivationssteigernd. Entweder verpuffen sie als hilflose Versuche andere Menschen zu bewegen, weil sie nichts mit deren eigenem Erleben des zu tun haben, oder schlicht deshalb, weil die Motivationsversuche eher negative Assoziationen wecken, das Selbstwertgefühl beeinträchtigen oder sogar Ängste und Stress auslösen. Druck und negative Sanktionen bewirken Stresserleben, das höhere Lernprozesse hemmt. Es fördert eher archaische Verhaltensschemata wie Flucht oder Aggression. Auch Belohnungen können, wie schon angedeutet, genau das Gegenteil dessen erreichen, wofür sie eingesetzt werden. Studien stellten fest, dass Menschen sich teilweise von Boni „gekauft“ fühlten, und sprechen von einem Korrumpierungseffekt.

Hilfe zur Potentialentfaltung

Der Motivationsexperte Daniel Pink (Pink 2010) hat drei Faktoren herausgearbeitet, die der Motivation förderlich sind: Autonomie, Potentialentfaltung (Mastery) und Sinnhaftigkeit (Purpose). Dies deckt sich sehr gut mit den Erkenntnissen der modernen Hirnforschung und erscheint mir auch in Bezug auf die Führung von Menschen sehr wichtig.

Jedes menschliche Handeln ist motivational geprägt. Wir können also gar nicht ohne Motivation. Motivationales Handeln ist, wie Klaus Grawe herausstellte, vor allem auf die Befriedigung unserer Grundbedürfnisse gerichtet (Grawe 2006). Dies sind das Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle, das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz, das Bedürfnis nach Bindung und schließlich der Drang, Lust zu erleben beziehungsweise Unlust zu vermeiden.

Menschen wenden motivationale Schemata an, um diese Bedürfnisse zu befriedigen. Dies können Vermeidungsmechanismen („weg von“) oder Annäherungsschemata („hin zu“) sein. Diese Metaprogramme sind erlernt und können demnach auch verändert werden.

Annäherungsschemata sind meist verbunden mit proaktivem Handeln, wer diese Schemata stärkt, schafft einen Rahmen für das Entstehen von Motivation. Vermeidungsschemata hingegen sind als Schutzmechanismen durchaus wertzuschätzen, doch in aller Regel wenig hilfreich, wenn es darum geht, den Problemraum zu verlassen und Lernprozesse zur Potentialentfaltung in Gang zu setzen.

Gerald Hüther betont, dass unser Gehirn zum Lernen gemacht sei. Es habe eine programmoffene Struktur, und Potentialentfaltung sei mithin ein zutiefst menschliches Bestreben (Hüther 2010). Damit Menschen aber über sich selbst hinauswachsen können, bedarf es der Autonomie des Einzelnen beziehungsweise eines Teams und des Gefühls, dass das Ziel, das erreicht werden soll, einen Sinn hat. Hier schließt sich der Kreis zum Ansatz von Daniel Pink.

So weit so gut in der Theorie. Und wie lässt sich Motivation nachhaltig wecken und aufrechterhalten? Vor allem wenn das Erleben nicht von positiven Lernerfahrungen begleitet ist? Wie schaffen es Menschen, über Blockaden und Widerstände hinweg, ihre Motivation zu erhalten?

Das innere Feuer in Gang halten

Nachhaltige Motivation entsteht dann, wenn es Menschen gelingt, eine Flow-Spirale in Gang zu setzen und aufrechtzuerhalten. Flow ist ein Begriff, der von dem ungarisch-amerikanischen Psychologen Mihaly Csikszentmihalyi eingeführt wurde (Csikszentmihalyi 2010). Es bezeichnet ein Glückserleben, das zu einem selbstverstärkenden Prozess wird. Sportler kennen es als Runners High oder beim fließenden, intuitiven Zusammenspiel im Mannschaftssport.

Wenn Motivation durch positive Lernerfahrungen entsteht, also dadurch, dass Menschen über sich herauswachsen, dann steht eine Herausforderung am Anfang des Flow-Kreislaufs. Es darf also nicht nur anstrengend sein, sondern es muss sogar anstrengend sein, damit ein Mensch motivationales Potential zu entfalten vermag. Gelingt das, erleben Menschen also eine erfolgreiche Bewältigung der Aufgabe, erzeugt die Aktivierung des Dopaminsystems eine positive Erwartung. Unser Gehirn verlangt nach mehr desselben. „Think positive“ ist damit das Ergebnis von realem Erleben, nicht vom bewussten Wollen.

Genau hier unterscheidet sich auch das NLP vom suggestiven Charakter des positiven Denkens. Denken allein reicht nicht. Wenn aber die Herausforderung bewältigt ist, bedarf es der Suggestion des Erfolgsgefühls gar nicht, denn letzteres ist mit der positiven Erfahrung real. Je mehr es eine Führungskraft schafft, Menschen derartige Erfolgserlebnisse zu ermöglichen, umso besser für den Flowprozess. Die positive Erwartung aufgrund einer gemeisterten Herausforderung befördert die Neugier, die zusätzlich durch das Gefühl von Lust neue Nahrung erhält und Menschen ermutigt, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Wer mit erfolgreichen Führungskräften oder Leistungssportlern arbeitet, kann diesen Prozess live erleben.

Scheitern als eine Möglichkeit

Kritisch ist dabei die Phase der Bewältigung, die ja nicht in jedem Fall von Erfolg gekrönt ist. Scheitern ist immer eine Möglichkeit – und zumal eine, die viele Menschen zur Aufgabe verleitet. Hier trennen sich die Wege der Erfolgreichen und der Erfolglosen. Die Herausforderung wird dann, zumindest in der eigenen Wahrnehmung, zur unbezwingbaren Klippe – verbunden mit negativen Erwartungen. Dadurch kommt der Flow-Zyklus zum Erliegen.

Gerade in der Verarbeitung von Misserfolgen liegt der Schlüssel für das Gelingen von Entwicklungs- und Veränderungsprozessen. Hier erscheint mir ein Modell aus der Psychotherapie sehr hilfreich. Aaron Antonowsky untersuchte in der Nachkriegszeit Opfer des Holocaust und fand heraus, dass etwa jeder dritte unter ihnen das Grauen ohne bleibende Traumatisierungen überlebt hat. Was unterschied diese Menschen von den übrigen? Antonowsky nannte es Sense of Coherence, was sich vielleicht mit „Sinn für Stimmigkeit“ ins Deutsche übertragen lässt. Der setzt sich zusammen aus den Gefühlen der Verstehbarkeit, der Handhabbarkeit und der Sinnhaftigkeit.

Wenn Menschen meinen, Situationen zu verstehen, sie handhaben zu können und wenn sie überdies dem eigenen Handeln in diesen Situationen einen Sinn entlocken können, dann sind sie in der Lage, dies als Herausforderung zu erfahren, die sie bewältigen können. Eine Art Gefühl von: „Ich verstehe es, ich kann es und ich weiß, wofür es gut ist“.

Im Sinne der Motivationsförderung können folgende Maßnahmen hilfreich sein:

  • Generell positive Lernerfahrungen von Einzelnen und Teams ermöglichen. Erfolge feiern und bei denen lassen, die sie erarbeitet haben.
  • Mut zu Fehlern entwickeln und Misserfolge lösungsorientiert verarbeiten.
  • Das heißt auch: Fokus auf Potentiale nicht auf Defizite.
  • Förderung von Kooperation statt Konkurrenz. Kooperation ist in selbstorganisierten Systemen der wesentlich bessere Erfolgsfaktor, da sie Synergien und das Entstehen von gewissermaßen kollektiver Intelligenz ermöglicht, die systemische Literatur spricht von übersummativer Intelligenz.
  • Autonomie von Mitarbeitern durch Übertragung von Verantwortung fördern. Dies ist mehr als die Verteilung von Aufgaben. Verantwortung bedeutet auch, Gestaltungsräume zu schaffen. Die Führungskraft hat dann das Spannungsfeld zwischen den eigenen Vorstellungen und den  Lösungen anderer auszuhalten.
  • Transparenz für Situationen und Entscheidungen herstellen, Zusammenhänge transparent und verständlich machen, Offenheit für kritische Fragen und Feedback.
  • Inklusion, Beteiligung an Entscheidungen.
  • Im Falle von Stuck States: Handlungsmöglichkeiten und Wege aufzeigen und Menschen ressourcenorientiert darin unterstützen, diese zu beschreiten.
  • Sinnvermittlung, Orientierung geben, Menschen durch positive Visionen begeistern.
  • Wertschätzende Kommunikation, auch bei kritischem Feedback.
  • Aufbau von Vertrauen, Abbau von Kontrolle.

Weder Führungskräfte noch Coaches können motivieren, aber sie können einen potentialorientierten Rahmen setzen, in dem Motivation entstehen kann. Alles, was Menschen hilft, ihre Bedürfnisse nach Orientierung und Kontrolle, nach Bindung, nach Selbstwerterhöhung und nach Spaß zu erfüllen, kann die Motivationsspirale in Gang setzen. Alles, was dem Sense of Coherence zuträglich ist, kann sie auch in schwierigen Situationen aufrechterhalten.

Um nun Nachfragen zu vermeiden: Ich habe nichts gegen angemessene Boni. Sie dienen, um mit Herzberg zu sprechen, der betrieblichen Hygiene. Nur sollten wir nicht den Fehler begehen, sie in irgendeiner Weise mit dem Gedanken der Motivation und Leistungssteigerung in Verbindung zu bringen.

Literatur

Csikszentmihalyi, Mihaly (2010): Flow. Das Geheimnis des Glücks. 15. Auflage, Klett-Cotta

Frey, Bruno S.; Osterloh, Margit (2000): Managing Motivation. Wie Sie die neue Motivationsforschung für Ihr Unternehmen nutzen können. 1. Aufl. Wiesbaden: Gabler.

Grawe, Klaus (2004): Neuropsychotherapie. Göttingen: Hogrefe.

Hüther, Gerald: (2007) Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn. 10.Auflage, Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht;

Pink, Daniel H. (2010): Drive. Was Sie wirklich motiviert. Salzburg: Ecowin Verl.

Spitzer, Manfred (2007): Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens. [Nachdr.]. Berlin: Spektrum Akad. Verl.

 

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Eine Antwort auf „Jenseits von „Tschakka!“ und Incentives“

  1. Ich bin begeistert und total motiviert mein Leben selbst anzupacken. Dabei habe ich einfach nur den Artikel gelesen. Super geschrieben, verständlich auf den Punkt gebracht.
    Danke 🙂

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