Sind Coaches die besseren Manager?

Coaching ist keine Karriere-Beratung. Coaches sind nicht die besseren Manager oder gar Wunderheiler. Sie haben deshalb auch nicht die besseren Lösungen parat. Aber sie kennen gute Wege zu besseren Lösungen. Genau das macht die Stärke von Coaching aus.

„Geben Sie mir doch einmal einen Tipp, was ich ändern soll“ lautet ein häufiges Anliegen von Coaching-Klienten. Manchmal reiche ich meinem Coachee dann meine Brille. Ihm oder Ihr wird dann schnell klar, warum Ratschläge nur eine kurze Reichweite haben. Es ist immer die Lösung des Coaches, entstammt meiner Sicht der Dinge. Die muss aber für den Coachee nicht hilfreich sein.

Menschen sind so wie sie sind, weil sie so wurden. Alles was wir denken und tun, beruht auf unseren Erfahrungen. Selbst unsere Wahrnehmungen sind dem unterworfen. Darum erleben wir oft Situationen sehr unterschiedlich. Wir sehen mit anderen Augen und hören mit anderen Ohren als unsere Mitmenschen. Erfahrungen schufen bestimmte Bahnungen in unserem Gehirn, formten Denk- und Verhaltensmuster. Die sind wie Wege durch den Dschungel. Und wir nehmen lieber die gewohnten Routen.

Neues Terrain betreten wir nur dann, wenn wir es an unsere alte neuronale Landkarte irgendwo anhängen können. Inseln des Glücks gibt es nicht. Die besten Problemlösungen koppeln im Gegenteil dort an, wo schon Bahnungen vorhanden sind. Und die finden wir – richtig – in unseren eigenen Erfahrungen. Coaching versucht, diese Erfahrungen nutzbar zu machen, starke Ressourcen und Potentiale offenzulegen und zielgerichtet zu aktivieren.

Gute Ratschläge sind aber oft zweifelhafte Hilfestellungen. Jeder kennt solche Situationen: „ Mensch, bewirb Dich doch bei Firma X“, „Sieh das doch als Herausforderung …“ oder „Ich an Deiner Stelle würde …“. Und immer dann, wenn wir feststellen, dass Ratschläge uns nicht weiterhelfen, dann sind andere Formen professioneller Beratung angesagt. Coaching gehört dazu. Es ist aber eben nicht die bessere Beratung. Martin Wehrle hat dieses teilweise etwas schiefe Bild vom Coaching in einem Beitrag für ZEIT-Online gerade gerückt.

Coaches sind nicht die besseren Manager, sondern in erster Linie ein gute Zuhörer und Feedbackgeber, beharrliche Nachfrager und wertschätzende Provokateure.

Coaching schafft neue Perspektiven, führt weg von Problemen und hin zu Lösungen. Ein Coaching-Prozess ist immer dann effektiv, wenn der Klient nicht nur mental, sondern auch emotional beteiligt ist. Damit kann Coaching die Grenze von bewussten Intentionen und intuitivem Wollen überwinden. Was uns berührt, hat Relevanz. Sicher, Freunde können das auch. Wenn da nur nicht immer diese Rat-Schläge wären …

 

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5 Antworten auf „Sind Coaches die besseren Manager?“

  1. Ich teile Ihre Erfahrung, dass Coaching oft noch mit dem “Zeigen oder Erklären, wie’s (besser) geht” assoziiert und angefragt wird.
    Anregungen/Inspirationen – wie ich es nenne – moderiere ich in meiner Prozessbegleitung als explizites Angebot an. Im Sinne eines “Ich teile gerne mit Ihnen, welche Strategie einem Klienten/mir selbst in dieser Situation geholfen hat”. Nur wenn ein Go des Coachee folgt, weil es sie/ihn interessiert, spreche ich darüber. Manchmal sind das für mein Gegenüber echte An-Regungen: Es regt und bewegt sich etwas – in der Wahrnehmung des Klienten und später im Handeln.
    Ratgeber verlassen dagegen in meiner Wahrnehmung die gleiche Augenhöhe. Sie meinen/behaupten ja etwas zu haben, was dem Gegenüber fehlt. Das ist für mich schon der Anfang vom Ende im Coaching, das ja Ressourcen bewusst macht, ausbaut und stärkt.

    1. Danke für Ihr Feedback, Frau Heinzelmann. Auch Coaching findet nicht immer auf Augenhöhe statt. Jeder der „führt“, verlässt immer auch temporär die Augenhöhe. Diese Fähigkeit macht auch die Wirkung von Beratung und Coaching aus. Und es wird von Klienten nach meiner Erfahrung auch meist erwartet. Das finde ich OK. Nur bezeichnen sich heute zahlreiche Berater als Coaches, obwohl sie reine Rat-Geber und nicht Prozessbegleiter und Katalysatoren sind.

  2. Das etwas schiefe Bild vom Coaching wurde in der Tat von Martin Wehrle in seinem Artikel bei ZEIT-Online gut zurecht gerückt, doch wenn man sich den Großteil der Kommentare dazu anschaut, kann’s einem grausen. Bleibt nur zu hoffen, dass sich in der Mehrzahl der Kommentare eine kleine Minderheit auslässt, die dies auch sonst bei jedem sich bietenden Anlass tut und insofern nicht sooo ernst zu nehmen ist.

    1. Ja, ganz ähnlich sehe ich das auch. Von den meisten Kommentatoren bei ZEIT-Online habe ich den Eindruck, dass sie noch nie direkt mit Coaching in Kontakt gekommen sind.

  3. Eine sehr schöne und nicht zu ausufernde Beschreibung über Coaching. Und die Sache mit der Brille werde ich mir merken…

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