Change Management – es knirscht im Getriebe

Der schwedische Organisationsforscher und Change-Experte Nils Brunsson räumt mit klassischen Management-Konzepten auf. Er hält hergebrachtes Change Management für einen Mythos und wirft Unternehmen Scheinheiligkeit vor. Ist das nur publicitywirksame Schmähkritik oder ist das was dran?

Fakt ist, dass ein großer Teil der Veränderungsprogramme scheitern. Im Zeitalter der Beschleunigung sind wir oft dem Glauben erlegen, dass so ziemlich alles möglich sei, vor allem schnelle Veränderung – um dann oft desillusioniert festzustellen, dass es so einfach nicht geht. Change Prozesse werden dann schnell abgebrochen oder durch neue Projekte ersetzt. Change Management wird so zum Selbstzweck und die wiederholte Veränderung wird durch den ständigen Wechsel von Motivation und Enttäuschung befördert.

Glaubenssätze

Und es sind immer wieder die gleichen Glaubenssätze, die Change-Prozesse begleiten. Hier eine Auswahl:

  • Stabilität ist der Normalzustand, Veränderung die Ausnahme.
  • Veränderung ist ein linearer Prozess.
  • Das Symptom ist das Problem.
  • Veränderung kann nur von oben nach unten erfolgen. (Managerperspektive)
  • Veränderung kann nur von außen erfolgen. (Beraterperspektive)
  • Commitments und finanzielle Anreize motivieren die Belegschaft.
  • Fortbildung sichert die Umsetzung.

Zu leicht neigen wir zu einfachen Kausalschlüssen. Fliegt irgendwo die Sicherung heraus, wechseln wir die aus und erkennen oft nicht, dass das Problem ganz wo woanders liegt. Wir machen so das Symptom zum Problem. Es ist daher empfehlenswert, hinter das Symptom zu schauen, gewissermaßen auf das Problem hinter dem Problem.

Je höher der Vernetzungsgrad eines Systems, umso höher das Trägheitsmoment und umso schwieriger gestalten sich Change-Prozesse. Punktuelle, kurzfristige Maßnahmen sind darum wenig geeignet, ein System umzukrempeln. Ansonsten wird der Impuls vom System weitestgehend absorbiert und ein Jojo-Effekt stellt sich ein. Ruchzuck ist das alte Fett wieder da!

Funktion geht vor Masse

Ein weiterer Punkt, der bei nicht-systemischem Denken oft vernachlässigt wird, ist der, dass nachhaltig effektive Systeme niemals Masse- sondern Funktionsorientiert sind. Wer auf schnelles Wachstum setzt, wird ebenso schnell wieder auf ein Normalmaß gestutzt oder sogar abstürzen, auch wenn es am Beginn zu funktionieren scheint. Das ist eines der Gesetze komplexer Systeme, die trotz fortwährender Bestätigung in der Praxis in Teilen des Managements immer noch nicht wahrgenommen werden. Als hätte es weder die Dot-Com- noch die Suprime-Bond-Blase gegeben, um nur zwei jüngere Beispiele zu nennen. Kein System der Welt kann sich auf Dauer ausuferndes Wachstum leisten, das immer mit der Ausbeutung von Ressourcen aller Art verbunden ist und daher zwangsläufig Grenzen erreicht. Es ist daher ratsam, die Ökologie von Change-Prozessen kritisch zu beleuchten.

„Die zentrale Annahme moderner Managementkonzepte ist, dass sich Organisationen nach rationalen, einfachen und klaren Prinzipien gestalten und kontrollieren lassen. Aber Organisationen funktionieren nun einmal nicht so. Sie brauchen viel implizites Wissen, ungeregelte Räume und Irrationalität“ sagt Nils Brunsson (http://bit.ly/ah7BkB ).

Einfach Umprogrammieren geht nicht

Veränderung ist immer mit der Aufgabe von Gewohntem verbunden. Es ist eine Reise in ein unbekanntes Land, in dem wir die Wege und die Gepflogenheiten noch nicht kennen. Und dann stellt sich natürlich die Frage: Wozu sollen wir uns auf dieses Abenteuer einlassen? Selbst wenn wir den Ist-Zustand als verbesserungsbedürftig wahrnehmen, so wissen wir doch schließlich nicht, ob das, was da kommt, wirklich besser ist. Unsere eingefahrenen neuronalen Autobahnen und Programme wollen daher nur dann verlassen werden, wenn das Neue, was da kommen soll, auch genügend Attraktivität entfaltet. Und da sind finanzielle Anreize, verordnete Commitments und finanzielle Anreize nur schwache Instrumente, um als starkes Zugpferd zu dienen. Echtes Commitment, also eine freiwillige Selbstverpflichtung, ist das Ergebnis eines Identifikationsprozesses, nicht der Anfang. Es lässt sich weder vereinbaren noch verordnen. Commitment entsteht durch Partizipation.

Wie Change Management aus meiner Sicht besser funktionieren kann, beschreibe ich in meinem neuen Buch: http://wp.me/pTyqL-A

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3 Antworten auf „Change Management – es knirscht im Getriebe“

  1. Lieber Herr Sandner! Sie sprechen viele zentrale, für mich brennende Fragen an! das gefällt mir sehr. Ich finde aber die Kritik Nils Brunsson‘s an vielen mechanistischen Change Management Konzepten nur zum Teil sinnvoll. Natürlich denken noch die meisten Menschen mechanistisch, natürlich wollen Menschen steuern und die Kontrolle über Organisationen, natürlich pflegen wir kindliche Allmachtsfantasien. Diese Handlungsmuster sind ja die lange gehegte Brut des alten mechanistischen Weltbildes, das sich erst schrittweise dem neuen, ganzheitlichen Weltbild ergeben will. Im Übergangsraum zwischen zwei Weltbildern haben wir es mit allen Möglichkeiten gleichzeitig zu tun. Niemand kann heute wirklich sagen, dass ganzheitliche Ansätze zu mehr Erfolg führen als mechanistische. Auch wenn die Zeit der Ganzheitlichkeit vor der Türe steht, sind heute beide Pole richtig und gut für unsere Entwicklung.
    Dennoch bin ich ganz bei Ihnen und habe mir sehr ähnliche Denkwelten eröffnet. Hoffen wir auf einen schnellen Übergang 😉

    Ihr Heinz Peter Wallner

    PS: Vielleicht interessiert Sie der Artikel über Change Management: http://tr.im/TyvF kürzlich gepostet auf meinem Blog.

  2. Lieber Herr Sander,

    ich verfolge Ihren Blog erst seit kurzem, gefällt mir sehr gut – Sie sprechen Themen an, die mich auch beschäftigen.
    Darf ich auf meinem Blog in einem meiner nächsten Beiträge auf Ihre Artikel verweisen?

    Herzliche Grüße aus Wien

    Michael Paula

    1. Hallo Herr Paula,
      freut mich. Ja, natürlich können Sie auf meinen Blog verweisen. Ihr Blog ist übrigens auch sehr interessant.
      Beste Grüße aus Heidelberg
      Constantin Sander

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